Die beiden Trams
Kinder- und Scherzgedichte, Epigramme auf Zeitgenossen 1911–1937
Herausgegeben und aus dem Russischen übersetzt von Ralph Dutli
2000. 260 Seiten. Leinen
ISBN 9783250104186
Die Zeit
In diesem Band soll Raum sein für einen »anderen« Mandelstam. Ausgelassener Humor, durchtriebene Ironie, ein poetischer Spieltrieb – all dies kennzeichnet den großen Lyriker nicht weniger als die unzweifelhaft tragischen Umstände seines Lebens in der finsteren Stalin-Epoche.
Mandelstams Scherzgedichte haben etwas Chaplineskes, stehen für den Wunsch, noch im größten Schlamassel das Lachen und damit den Lebensmut nicht aufzugeben. Doch diese Texte sind Scherzartikel mit Hintergründen. Hinter dem Nonsens blitzt nicht selten der witzige kleine Nebensinn auf. Humor kann subversiv sein, und Mandelstams »scherzhafte« Opposition war den Machthabern ein Dorn im Auge. Seine Gedichte bezeugen jene »geistige Autonomie«, in der Joseph Brodsky Mandelstams eigentliches »Vergehen« und den Grund für seinen Tod im Lager sah.
Wenn dieser letzte Band der Mandelstam-Werkausgabe nur etwas ausstrahlen möchte, so ist es ein durchtriebener, schalkhaft-schelmischer Charme. Das von Lidija Ginsburg überlieferte Wort Anna Achmatowas darf sich noch einmal bewahrheiten: »Ossip ist ein Schrank voller Überraschungen!«
»Mir schien immer, dass das Schreiben von Kindergedichten für ihn ein Vergnügen war, eine Erholung, ein ebenso leichter Zeitvertreib wie die Scherzgedichte, die stets im Kreis von Kollegen bei einem fröhlichen Gespräch entstanden, beim Tee, bei einer Flasche Wein.« Nadeschda Mandelstam
»Eine beredte Ergänzung zum Gesamtwerk Mandelstams, mit ihrem vitalen Lächeln, das neben seinem ›verächtlichen Lachen‹ über ›die peinlichen Patzer der Folterknechte‹ (Nabokov) steht und sie zumindest im Geist überdauert hat.«
Franz Haas, Neue Zürcher Zeitung