Sofareisen
Ausgewählte und kommentierte Kolumnen
2001–2005
Ein Debüt
Meridiane 82
2005. 256 Seiten. Leinen mit Lesebändchen
Umschlagbild von
Hans Stalder
ISBN 9783250600824
Am liebsten stand er auf dem Balkon seiner alten Wohnung an der Aare und schaute hinunter auf den schönen Dalmaziquai. Und dann nahm das gewohnte Leben auf einmal eine Wende. Jetzt steht er auf einem kleinen Küchenbalkon inmitten von verdorrten Zimmerpflanzen und raucht. Er blickt auf die Straße und beobachtet die Welt an der Berner Wylereggkreuzung: Wie bei 38° C im Schatten der Teer langsam schmilzt und sich ein Jungpolitiker mit seinem Jeep vor den Mercedes des Stadtpräsidenten schiebt und dann beide im Verkehr stecken bleiben. Wie die Beamten im gegenüberliegenden Bauwrack aus Eternitverschalung Tag für Tag ihre Gummibäume gießen, während ein Securitasmann gerade wieder einmal dabei ist, einen Bußzettel unter die Scheibenwischer des geliebten VW Passat zu schieben. Zum Glück gibt es den Taxifahrer Mechmet und die dicke Kioskfrau, bei der Anaconda regelmäßig seine Parisiennes holt.
Hemmungslos und mit lustvoll sentimentaler Selbstironie beschreibt Endo Anaconda die unendliche Schwierigkeit der menschlichen Existenz – vor allem der eigenen –, ganz egal ob in Salzburg, Berlin, Bern oder im Emmental. Seine Kolumnen sind Milieustudien über das Mittelmaß, über den Untergrund der Dienstleister, über Leute, die ihr Schicksal bejammern, sich besaufen und dann vom eigenen Hund in den Hintern gebissen werden, sind poetische Aperçus über die elende Dialektik des Rauchens und Trinkens, über ketchupsüchtige Kinder und alle möglichen Schweizer Psychosen. Eine große Sehnsucht nach dem – inneren – Paradies vibriert leise zwischen den Zeilen. Ja, diese bluesige Comédie humaine ist echt – wem sonst passiert es, dass die weggeschnippte Kippe direkt auf der Mütze des vorbeigehenden Securitasmannes landet?
»Im überbelegten Schweizer Kolumnistenadel ist Endo Anaconda der Meister der Bluesballade mit Humor. Wie das? Genau das: Er schafft es, auf engstem Raum scheinbar unmögliches zusammenzubringen.«
Julian Schütt, Die Weltwoche