Helen Meier
Lebenleben

Roman
1989. 328 Seiten. Leinen

ISBN 9783250101253

»Am Anfang, am Ende nichts, nein, Anna kann das nicht glauben. Zwischen Ende und Anfang, das glaubt Anna, ist eine unzusammenhängende, schwache Erinnerung, die einst ein Leben war.«

»Lebenleben«, der erste Roman von Helen Meier, ist ein üppiger, sinnlich erzähler Roman, dem das Leben einer mittelständischen Familie als stofflicher Hintergrund dient. Vor diesem Hintergrund wird aus der Perspektive der Hauptfigur Anna ein Lebensgeflecht ausgebreitet, das an unerwarteten Wendungen und Schicksalsschlägen reich ist. Ein Hauch von Melancholie weht durch die ganze Geschichte, doch nie verkommt sie zur Gefühlsduselei. Sentimentalität ist Anna verhasst, sie ist eine Getriebene auf der Suche nach etwas, das größer ist als sie selbst und das zu finden, wenn überhaupt, einem nur für Augenblicke gewährt wird.

Annas Leben wird nicht chronologisch aufgerollt, sondern gewinnt seine plastische Räumlichkeit mittels eines Erzählens in Erinnerungssprüngen. Mit großem Einfühlungsvermögen stellt die Autorin Annas Kindheit und Jugend dar und schildert eindrücklich und ergreifend Annas gleichzeitiges Sich-Ergeben in und ihr Aufbegehren gegen das Älterwerden und Altsein.

Die Zeit ist das zentrale Motiv dieses Romans: wie sie auf die Figuren einwirkt, sie verändert und, vor allem, wie sie von der Erinnerung hervorgebracht wird. Wie das nichtgelebte und das gelebte Leben in der Erinnerung evoziert werden, um sogleich in der sich Erinnernden zu zerfasern und zu verschwimmen. Es gelingt der Autorin, den Leser in das langsame Vorwärtsschwingen der Zeit einzubeziehen. Das gibt diesem Erzählen seinen unverwechselbaren Charakter. Die Geschichte der sperrigen Anna und ihrer Familie wird, wie wir das von Helen Meiers Erzählungen her kennen, in einer poetisch durchdrungenen Sprache gestaltet, die bei aller Sensibilität nie den Boden der Wirklichkeit unter den Füßen verliert. Kraftvoll im Rhythmus, raffiniert das Erzähltempo variierend, wird einer Lebens- und Liebeszeit auf den Leib gerückt, an deren Ende Anna – die nie Ermüdende, die immer Hoffnungsbereite – noch einmal aufbegehrt.




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