Marion Titze
Vom Mond das fehlende Stück

Essay über Hürlimanns »Einsiedler Welttheater«
Jahresgabe 2000. 48 Seiten. Broschur

ISBN 9783250-Mond

Ein Essay über
Thomas Hürlimanns
»Einsiedler Welttheater«


»Thomas Hürlimanns ›Einsiedler Welttheater‹ führt die ganze Farce des Dilemmas vor, das Apostatentum großen Stils, da es nichts als Stillosigkeit zu gebären scheint, da es sich weder selbst erkennt noch reflektiert. Bei Hürlimann richtet sich die Volksfrömmigkeit bröckelnder Evangelien ein chaotisch makaberes Fest. Dort, wo bei Calderón Die Stimme als verkapptes Gesetz der Gnade liturgieähnlich spricht, bringt Hürlimann gebetsmühlenartig Die Standfrauen zu Gehör:

 

›Madönneli und Kruzifix!
Häliböck und Wanderstöck!
Das Gaffen kostet nix!
Biberfladen, Bier und Rosenkränze
Schokoladen, Cola, Grittibänze
Sündenablass, Kelche und Monstränze
Prenez, venez, chaufid gschnell
Suscht chömid ier i d Höll!‹

Zwar sind, was sie feilbieten, Devotionalien, doch wir, in Metaphern nun einigermaßen versiert, erkennen darin die ganze hyperaktive global verzückte Warenproduktion, die ihre Exponenten nicht anders betrachten als einst der Klerus die Entfremdung der vormals geweihten Reliquie: Wirkungsvoller Kitsch sei besser als wirkungslose Kunst. Unumstößlich ist die Tendenz geworden, sich die Welt so umfassend wie möglich anzubequemen. Hat das Thomas Hürlimann dazu getrieben, noch einmal die Register der comedia zu ziehen?

Man wird sehen. Und neuerlich staunen wir über die geheime geschichtliche Energie, die alle hundert Jahre den Einfall zu haben scheint, ein Großes Welttheater zu inszenieren.« Marion Titze




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